Reformationstag 2015: Unser aktueller Schaukasten

Reformationstag 2015: Unser aktueller Schaukasten

Reformationstag 2015: Unser aktueller Schaukasten

# Schaukasten

Reformationstag 2015: Unser aktueller Schaukasten
Aus Liebe zur Wahrheit und im Bestreben sie ans Licht zu bringen. Im Namen unseres Herrn Jesus Christus Amen.

Flugblätter, die durch die Luft wirbeln, ein Plakat von Martin Luther von der Reformationsausstellung im Torgauer Schloss Hartenfels, die wir bei unserer Gemeindeexkursion besucht haben, und der Eingangssatz der 95 Thesen: „Aus Liebe zur Wahrheit und dem Bestreben, sie ans Licht zu bringen“ – das sind die Bestandteile des Schaukastens zum Reformationstag 2015, 2 Jahre vor dem 500. Jahrestag 1517.

Die Flugblätter – in Originalgröße - sind auch ein Mitbringsel von der Ausstellung in Torgau, auf der Vorderseite ist der lateinische Text der 95 Thesen abgedruckt, auf der Rückseite die deutsche Übersetzung, die das Original nicht trug.

Denn bei dem Thesenanschlag – ob diese wirklich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche genagelt wurden, ist historisch nicht belegt - handelte es sich primär um den Beginn, die Aufforderung zu einer theologischen Auseinandersetzung, deshalb waren sie allein in Lateinisch geschrieben, der Sprache der Professoren und Wissenschaften. Zur Volksbewegung, zur Kirchenspaltung, zu Kriegen zwischen Kurfürsten und Kaiser kam es erst viel später. Und doch wohnt diesem kleinen Flugblatt schon die ganze Sprengkraft der späteren Reformationsbewegung inne, wenn insbesondere der Ablasshandel und der dafür verantwortliche Papst hart und schonungslos kritisiert werden.

Luther selbst wollte lange Zeit ein Kirchenschisma vermeiden, ihm ging es um die Reformation der katholischen Kirche.

Damit stand er im 15. Jahrhundert keineswegs allein. Zeitgleich gab es diverse Bestrebungen, die erstarrten Ordnungen in den Klöstern, die zum Teil zu adligen Damen und Herrenstiften mit feudalem Prunk und dem Gerangel um Mitgifte, Erbschaften und Pfründe „verkommen“ waren, zu reformieren. Die alten klösterlichen Tugenden wie Abgeschiedenheit von der Welt (Klausur), Armut und Gleichheit der Klosterbrüder – bzw. - schwestern untereinander sollten wiederher-gestellt werden. So gab es die unbeschuhten Franziskaner, die sich erneut der Armut verschrieben sowie ähnliche Bestrebungen bei den Dominikanern, die aber beide rasch in das Gegenteil eines rigoristischen Büßens mit Selbstgeißelungen und übertriebener Askese verbunden mit einer klaren Werkgerechtigkeit verfielen.

Dennoch war es ein Anliegen der Frömmigkeit des 15. Jahrhunderts, dass wenn nicht die Bibel so doch zumindest erläuternde geistliche Literatur in der Landessprache verfügbar sein sollten und im Zentrum der Reformbestrebungen stand das individuelle Verhältnis des Menschen zu Gott. Er sollte nicht nur durch liturgische Gesänge und überkommene Gebete wie z.B. den Rosenkranz (die der einfach Gebildete ohnehin nicht verstand), sondern mit eigenen Worten zu Gott beten dürfen und Gott im Gebet unmittelbar – und nicht nur durch den Priester vermittelt – erleben dürfen. Dies war natürlich ein Ausfluss der Ideen der Renaissance, Erasmus von Rotterdam war das große humanistische Vorbild, das auch in die Kirche hineinwirkte. Die spanische Inquisition machte diesen Ansätzen schnell ein Ende: Die Werke von Erasmus von Rotterdam wurden verboten, ebenso geistliche Werke in der Landessprache . Diejenigen Geistlichen, die ein subjektives Glaubenserlebnis anerkennen wollten, wurden in die Nähe der sektiererischen Illuminati, der Erleuchteten gerückt und Verfolgung und Folter waren ihnen damit ziemlich sicher.

Erstaunliche Parallelen zu den Ideen Luthers habe ich aber in der Biographie von Teresa von Avila, verfasst von der auf die Frömmigkeitsgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit spezialisierten Historikerin Linda Maria Koldau gefunden. Teresa ging es vor allem um das „Innere Gebet“, den selbständigen von Ritualen befreiten Zugang zu Gott und um eine im Alltag gelebte Einheit mit Gott, in der der Mensch aufhören sollte, um sich selbst zu kreisen, das „Ich-Sterben“. In der immer stärker werdenden Hinwendung zu Gott konnte dann sogar eine Art innerer Verschmelzung stattfinden, einhergehend mit mystischen Erlebnissen und von Gott empfangenen Anweisungen. Das Erreichen eines solchen Glaubens war aber nicht das Ergebnis eigener Bestrebungen und Vollkommenheit, sondern konnte nur durch Gottes Liebe und Gnade erreicht werden. Gott, so Teresas Ansatz, schenke sich den Menschen im Gebet. Aus der inneren Einheit mit Gott, nach dem „Ich-Sterben“ ergebe sich dann ganz von selbst die Hinwendung zum Mitmenschen in tätiger Nächstenliebe. Die Reihenfolge war deutlich: zuerst die innere Hinwendung zu Gott, dann die Nächstenliebe als Ausfluss der Gottesliebe, nicht als äußerer Gehorsam und zur Vermeidung von Strafe und Fegefeuer. Die katholische Kirche hat in den folgenden Jahrhunderten die Heilige Teresa von Avila vor allem als Mystikerin anerkannt und gewürdigt. Offen gestanden, jemand der 17 Klöster in ganz Spanien gegen alle Widerstände gründete und ein umfangreiches literarisches Schaffen hinterließ. kann so mystisch nicht gewesen sein. Diese tatkräftige, intelligente und diplomatische Frau auf die Mystik zu reduzieren, ist salopp gesagt „typisch (Kirchen-) Mann. Richtig ist, dass sie ganz konsequent aus ihrem Glauben und einer starken inneren Beziehung zu Gott heraus lebte.

Erstaunlich modern und erstaunlich nah bei Luther mit seinem Bekenntnis sola fide, sola gratia, sola scriptura. Die beiden haben sich, obwohl Zeitgenossen, nie kennengelernt. Teresa war natürlich auch sehr besorgt um die Einheit der Kirche und den Bestand der Klöster. Der von ihr verehrte und ihr Anliegen der Klosterreform der Unbeschuhten Karmelitinnen fördernde Philipp II von Spanien hatte den Protestantismus in den Niederlanden brutal niedergeschlagen. Aber hätten sie sich getroffen, sie hätten – intelligent und vorurteilsfrei wie sie beide waren - die parallelen Anliegen bestimmt erkannt.

Wenn nun Luthers Kirchenkritik gar nicht soo einmalig war in seiner Zeit, wie kam es dann doch zur Reformation?

Luther spielte die Politik in die Hände. Der Gegensatz zwischen Kurfürsten und Kaiser war größer geworden unter dem habsburgischen Spanier Karl V.. Die deutschen Kurfürsten pochten auf Autonomie gegenüber dem Kaiser und dem Papst, wollten dem finanziellen Aderlass ihrer Länder durch den Ablasshandel zwecks Finanzierung des Petersdomes nicht mehr zusehen. Die Betonung der Autonomie des Menschen im Verhältnis zu Gott passte in die Zeit der Renaissance und des Humanismus. Die finanziellen Vorteile z.B. aus der Auflösung des Kirchenbesitzes für die Fürsten waren groß, die Nähe zwischen Protestantismus und fürstlichem Herrscherhaus, die ihren Ausfluss im Augsburger Religionsfrieden „Cuius regio, eius religio“ – wessen Gebiet, dessen Religion, von 1555 fand, war verlockend.

Das zweite Element war die Erfindung des Buchdruckes, ohne den die Verbreitung der Lehren Luthers nicht denkbar gewesen wäre. Und er hat dieses neue Medium perfekt genutzt.

Man täte Luther aber unrecht, würde man nicht auch seine starke unerschrockene Persönlichkeit, seinen festen Glauben und seine Volksnähe betonen. Jede neue Idee braucht eine starke Führungsfigur, um sich durchzusetzen, auch wenn der Zeitgeist und die politischen Verhältnisse sie befördern. Insofern feiern wir zu Recht Martin Luther als Begründer der Reformation und den 31. Oktober als deren Beginn.

Maren Topf-Schleuning

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